OpenText übernimmt Documentum

Thomas KleinerNun erfolgte also die Übernahme des “DMS Schwergewichtes” Documentum durch OpenText und viele der ECM Experten waren keine 24 Std. später schon mit Statements, Prognosen und Meinungen in diversen Online Chanels präsent. Da wird vom “unumstrittenem Leader” im ECM/EIM Markt gesprochen und von “verunsicherten Kunden”, denen nun die Alternativen ausgehen, bis hin zu “Unsicherheiten bei den ganz großen Anbietern” (man denke in diesem Zusammenhang doch bitte nur einmal an Microsoft, SAP oder Oracle – was für eine düstere Zukunft). 

IBM wird als Gegengewicht und Alternative angepriesen, als der einzige Hersteller der noch Paroli bieten kann. Mit Nichten! Gerade hier zwingt sich keinesfalls der Eindruck auf, dass die FileNet Integration auch nur ansatzweise gelungen ist und ein strategischer Plattformgedanke konsequent verfolgt wird. Tendenziell wird IBM mittelfristig so eher zum ECM Nischenplayer, denn zum Leader. Microsoft mit SharePoint/Office365? Hierzu herrscht in der Einschätzung ausnahmsweise größtenteils Konsens, denn als „Single point of Entry“ (Intranet) durchaus vorstellbar und insbesondere mit der kollaborativen Erstellung (Multi User Editing) von Office Dokumenten – sofern man es in der Realität überhaupt benötigt – eine gute Wahl. Als eigenständige ECM Plattform mit einem Experten (Ge)Wissen aber keinesfalls zu empfehlen.

Es ist von einem „Bauchladen der Produkte” die Rede, dem “unmöglichen Ziel der Integration”, der Forderung nach einem “Portfolio aus einem Guss“. Die existierenden Suiten sollen nur ein “Sammelsurium von hinzugekauften Produkten” sein, welche teilweise – wie z.B. bei Documentum – auf Technologien basieren, welche die besten Jahre schon gesehen haben (Bezüglich veralteter Technologie volle Zustimmung). Aber war/ist eine Integration/Konsolidierung der unzählig zugekauften Produkte seitens Mark Barrenechea und Muhi Majzoub überhaupt das Ziel? Oder eher die technischen „Filetstücke“ oder schlicht einfach nur den Markt bzw. eine Kundenbasis in noch nicht so stark besetzten Branchen/Segmenten (wie nun bei Documentum) zu kaufen und das Cross Selling Potential in Richtung der eigenen strategischen EIM Plattform zu nutzen? Und was ist denn bitte so verwerflich daran, in diesem Kontext auch das doch so böse Wort „Migration“ ins Spiel zu bringen? Ach so… stimmt, Investitionsschutz! Sind für diese Investitionsruinen denn nun wirklich nur die Hersteller verantwortlich oder nicht auch teilweise beratungsresistente IT Manager im blind kopierten “Adaptierungswahn”? Nun aber Enterprise Content Management als Konzept und Markt komplett in Frage zu stellen, geht deutlich zu weit.

Und richtig, bei Cloud und SaaS hat OpenText noch Nachholbedarf und Core ist für Kunden sicherlich nur in Kombination mit einer der neuen Cloud Suiten aus dem Release 16 strategisch sinnvoll. In diesem Zusammenhang frage ich mich jedoch ernsthaft, warum diese Experten bei der Einschätzung bzw. der Marktbetrachtung einen nicht ganz unbekannten und extrem finanzstarken Konzern, der zudem auf eine unvorstellbare „IT Power“ zurückgreifen kann, so einfach einmal aus den Augen verlieren: Amazon mit seinen AWS (Amazon Web Services)…

Nein, hier schreibt kein ausgewiesener Experte, eher jemand mit etwas Praxiserfahrung, der die Evolution der OpenText Produkte (PowerWork, Humingbird, IXOS, Captaris, MetaStorm, StreamServe, Cordys …) über mittlerweile fast 18 Jahre im Tages(Projekt)geschäft verfolgen durfte und in dieser Zeit auch schon das ein oder andere Mal an seinem „Partner“ OpenText verzweifelt ist. Denn gerade in der Nachhaltigkeit des Partnerprogramms und in der Markenbildung hat OpenText den größten Nachholbedarf. Fakt ist aber ebenso, dass Mark Barrenechea und Muhi S. Majzoub den Gedanken „einer strategischen EIM Plattform“ nicht nur proklamieren und ankündigen, sondern definitiv auch sukzessive liefern. In diesem Zusammenhang seien einfach nur einmal die durchgängige SOA Technologie mit einer Enterprise Library und kompletter REST API (auch mit zugekauften Technologien), die Konsolidierung der unzähligen Admin Tools in ein Administrations-Center, der Integration der Process Suite (Cordys) in die Content Suite, dem Einzug von modernen HTML5 Oberflächen im responsive design in Core, der Process Suite und der Content Suite 16, den neuen Transport- und Migrationsmechanismen, die Einführung eines Portlets/Widgets Konzept oder ganz profan die fast vollautomatisierte Setuproutine genannt.

Bei OpenText ist keinesfalls “alles Gold was glänzt” und sicherlich noch deutlich “Luft nach oben”. Und auch Mark Barrenechea lässt sich ab und an zu Statements hinreisen (siehe Akquisition Global360 – „strategisches BPM Produkt“), deren Halbwertszeit schon nach nur wenigen Monaten erreicht ist, denn viele der Zukäufe sind schlicht weg „end of life“ bzw. werden nur noch auf Grund der existierenden Wartungsumsätze mehr schlecht als recht mit einer Produkt Roadmap versehen. Aber hat der (zugekaufte) Kunde nun wirklich keine Wahl? Gerade die genial weiterentwickelte Extended ECM Philosophie mit der nun standardisierten Schnittstelle connected Workspaces (mit diversen Konnektoren) für eine einfache Integration in SAP, SucessFactors, SharePoint, Salesforce oder Oracle kann ein unglaubliches Produktivitätspotential heben und sucht mit dieser Integrationstiefe Seinesgleichen im Markt – Chapeau! OpenText.